Obwohl die Landwirtschaft allgemein und auch die Personen, die hier arbeiten, als Berufsgruppe einen starken gesellschaftlichen Rückhalt haben, bleiben intensive Formen der Tierhaltung schwer vermittelbar.
Eine auch wissenschaftlich begründbare und veränderte tierethische Bewertung, sowie andere wissenschaftlich begründbare Kritikpunkte zum Arten- und Klimaschutz, schlagen sich in einer kritischeren Einstellung der Bevölkerung gegenüber der landwirtschaftlichen Tierhaltung nieder.
Um aus der Defensive herauszukommen, reichen passive Konzepte und Gegenangriffsstrategien in der Kommunikation nicht mehr aus. Die Akteure in der landwirtschaftlichen Tierhaltung müssen das Vertrauen der Gesellschaft zurückgewinnen. Dafür müssen glaubwürdige Veränderungen stattfinden. Die Kommunikationsarbeit braucht neue Ansätze.
Was sind die konkreten Kommunikationsprobleme?
Die klassische, landwirtschaftliche Öffentlichkeitsarbeit orientiert sich zu wenig am Dialog. Es findet nur begrenzt ein gegenseitiger Austausch auf Augenhöhe zwischen der Gesellschaft und der Branche statt. Die Distanz ist groß geworden.
Dabei hat die Entfremdung in beide Richtungen stattgefunden. Das stellt in der Landwirtschaft tätige Personen vor die Herausforderung, gesellschaftliche Kritik an der Tierhaltung wahrzunehmen ohne sich sofort generell in Frage gestellt zu sehen.
Hinzu kommt, dass sich Kommunikationsaktivitäten von Branchenverbänden im Umfeld der landwirtschaftlichen Tierhaltung sehr stark meinungshomogen nach innen an die eigene Basis richten.
Nach außen wird lediglich die Politik erfolgreich adressiert. Kommunikationsaktivitäten von Branchenverbänden sind meist wenig dialogisch auf Informationsaustausch mit einer breiten Öffentlichkeit gerichtet.
Welche Fragestellungen haben Sie dann daraus entwickelt?
Uns hat interessiert, wie die Organisationen im Umfeld der landwirtschaftlichen Tierhaltung nach innen und nach außen kommunizieren. Dazu haben wir leitfadengestützte Interviews mit sieben Personen geführt, die in Branchenorganisationen der Land- und Fleischwirtschaft und in Umwelt- und Tierschutzverbänden für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind.
Wir haben uns die folgenden Forschungsfragen gestellt: Wer kommuniziert mit wem und auf welche Art und Weise? Welche Informationen erreichen Personen mit welchem Vorwissen und spezifischem Informationsinteresse? Werden Botschaften wie auf einer Einbahnstraße gesendet oder streben die Akteure einen beidseitigen Dialog an?
Welche Ergebnisse brachte die Untersuchung?
Die Organisationen unterscheiden derzeit interne und externe Zielgruppen und grenzen sie voneinander ab.
Die internen Zielgruppen und die Politik werden überwiegend erfolgreich adressiert.
Die Verbraucherschaft als externe Zielgruppe für fleisch- und landwirtschaftliche Organisationen wird dagegen bisher nur schwer erreicht.
Gleichzeitig haben Organisationen aus dem Bereich Natur- und Tierschutz Schwierigkeiten, Menschen aus der Landwirtschaft als externe Zielgruppe anzusprechen.
Aber alle befragten Organisationen möchten den Transformationsprozess der Tierhaltung konstruktiv begleiten. Allerdings verfolgen sie unterschiedliche Zielbilder. Die zu lösenden Zielkonflikte stellen sowohl in der internen als auch in der externen Kommunikation der Organisationen eine große Herausforderung dar.
Welchen Rat geben Sie den unterschiedlichen Organisationen?
Organisationen sollten ihre internen Zielgruppen befähigen, als Vermittler zwischen Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Verbraucherschaft, Tier- und Naturschutz sowie Politik zu agieren.
Dazu ist eine veränderte interne Kommunikation notwendig. Die Kommunikation sollte auch nach innen empathischer, offener und diskursiver gestaltet werden. Hilfreich könnte es sein, stärker herauszuarbeiten, wie heterogen die internen Motivationen und Positionen sind und diese Unterschiedlichkeit nicht als Schwäche in der Außenkommunikation zu betrachten.
Dadurch wird es möglich, sich aus der Wagenburgmentalität zu lösen, aus der eigenen Blase heraustreten und Ambiguitätstoleranz zu entwickeln. Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, Vieldeutigkeit und Unsicherheit zur Kenntnis zu nehmen und auch ertragen zu können.
Wer versteht, dass es aufgrund der hohen Komplexität der Probleme unterschiedliche Sichtweisen und Lösungswege braucht, die nicht widerspruchsfrei sein können und es auch nicht sein müssen, kann dann auch in der Außenkommunikation lösungsorientierter und konstruktiver auftreten und muss nicht nur eigene Positionen verteidigen.
Hierbei wird auch wichtig sein, Empathie und Emotionalität nicht als Gegensatz einer falsch verstanden Sachlichkeit zu diffamieren, sondern sie professionell reflektiert in die Kommunikation einzubeziehen. Kommunikation über Tiere kann und sollte nicht losgelöst von Empathie und Emotionen stattfinden.
Wie also sieht eine gute branchenübergreifende Kommunikation aus?
Eine gute Konflikt- und Krisenkommunikation ist kurzfristig wichtig, um komplexe Diskussionen zu entwirren. Organisationen sollten auch hier ihre internen Zielgruppen befähigen, als Vermittler zu agieren - als Vermittler zwischen Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Verbraucherschaft, Tier- und Naturschutz und Politik.
Dadurch wird es möglich, Veränderungsprozesse konstruktiver zu unterstützen. Die interne Kommunikation sollte entsprechend angepasst werden und wie eben schon gesagt, dabei insbesondere empathischer, offener und diskursiver gestaltet werden. So kann auch die externe Kommunikation offener werden.
Die externe Kommunikation sollte ebenfalls angepasst und stärker dialogorientiert werden. Dafür reicht es nicht, bisherige Formate umzuetikettieren, indem frontale Podiumsveranstaltungen als Dialoge deklariert werden. Ebenso reicht es nicht, Social-Media-Aktivitäten mit Aufklärungscharakter als Informationsaustausch zu bezeichnen.
Erforderlich ist die ehrliche Bereitschaft zum Zuhören, des Verstehen-Wollens und letztendlich der Wille zu Kompromissen bei handfesten Konflikten, so dass im Dialog neue Lösungsräume entstehen.