Für Praktikerinnen und Praktiker gibt es mittlerweile mehrere konkrete Handlungsempfehlungen und Leitfäden für die Beurteilung des Tierwohls im eigenen Betrieb. Im Rahmen des Projekts Eigenkontrolle Tiergerechtheit (EikoTiGer) wurden unter Federführung des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL) Indikatoren in 120 landwirtschaftlichen Betrieben auf ihre Praxistauglichkeit hin untersucht. Die Ergebnisse flossen in die KTBL-Publikation "Tierschutzindikatoren: Leitfaden für die Praxis - Geflügel“ ein. Die folgenden Beispiele orientieren sich an dieser Publikation.
Beispiel: Lahmheiten
Lahmheiten weisen auf verschiedene Erkrankungen des Bewegungsapparates bei Gelenken hin. Auch eine zuchtbedingte veränderte Beinstellung kann hierzu führen. Lahmheiten sind in der Regel schmerzhaft für das Tier. Durch Schonung kommt es außerdem zu Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit und damit des Bewegungsradius, so dass mangelnde Futter-und Wasseraufnahme die Folge ist. Das vermehrte Liegen kann wiederum zu Schäden an der Brusthaut führen und damit zu weiteren Schmerzen und Einschränkungen. Mögliche Ursachen für Lahmheiten sind eine ungenügende Einstreu-, Luft- und Futterqualität. Lahmheiten geben darum eine gute Auskunft über die Haltungsumwelt von Mastgeflügel.
Lahmheiten sollten fortlaufend bei der täglichen Tierbeobachtung der Herde erfasst und am Ende des Durchgangs ausgewertet werden. Zusätzlich empfiehlt sich die Beurteilung einer Stichprobe von 50 Tieren in der letzten Lebenswoche. Bei der täglichen Kontrolle sollte der Stall mindestens vier Mal längs durchlaufen und alle Stallbereiche durchschritten werden. Erfasst werden alle Tiere, die in ihrer Fortbewegung stark eingeschränkt sind oder sich auf die Flügel stützen und separiert oder gemerzt werden. Das Ergebnis ergibt sich aus der Zahl der aufgrund von Lahmheit separierten oder gemerzten Tiere mal 100 geteilt durch die Gesamtzahl der untersuchten Tiere.
Beispiel: Fußballenveränderungen
Wenn die Fußballenhaut durch ungenügende, ungeeignete oder feuchte Einstreu ständig überbeansprucht wird, verhornen die Fuß- und Zehenballen der Masthühnchen. Im weiteren Verlauf können tiefe Hautschäden (Läsionen) entstehen. Solche Hautschäden sind Eintrittspforten für Keime. Wenn sie sich entzünden, bilden sich schmerzhafte Geschwüre. In diesem Stadium bewegen sich die Masthähnchen nur noch wenig, sitzen oder liegen auf der Brust, wo es dann ebenso zu Geschwüren kommen kann. Die Einstreuqualität ist also ein entscheidender Faktor für die Entstehung von Fußballenveränderungen und Pododermatitis. Beeinflusst wird sie durch die Einstreuart, die Besatzdichte, die Fütterung und das Mikroklima im Stall. Aber auch der Genetik, dem Geschlecht und dem Alter der Tiere wird ein Einfluss nachgesagt. Das Beurteilen der Fußballen ist demnach ein guter Indikator für die Haltungsumwelt.
Zur Früherkennung sollte eine Überprüfung am Ende der zweiten Lebenswoche auf dem Praxisbetrieb erfolgen. Schlachttierbefunde ergänzen die eigene Erhebung. Falls am Schlachthof keine Fußballenveränderungen erfasst werden, sollte eine weitere Überprüfung im Betrieb am Ende der Mast erfolgen. Für die Untersuchungen werden 50 Masthühnchen je Herde möglichst zufällig aus dem vorderen, mittleren und hinteren Stallbereich entnommen. Dann werden beide Füße auf Veränderungen der Fußballen untersucht. Die Bonitur erfolgt nach Abstufungen der Veränderung durch Verhornung, Läsionen und Geschwüre. Das Ergebnis ergibt sich aus der Zahl der Tiere von erster oder zweiter Bonitur mal 100, geteilt durch die Gesamtzahl der untersuchten Tiere.