In Deutschland gibt es heute bereits mehr als 50 Initiativen, die männliche Legehybriden aufziehen, statt sie als Eintagsküken zu töten. Doch welche Faktoren entscheiden, ob sich die Aufzucht von Bruderhähnen auch wirtschaftlich rechnet?
Ein Weg hin zu einer nachhaltigeren Geflügelwirtschaft eröffnet sich in der Aufzucht von so genannten Bruderhähnen (oder Brudertieren), bei der die männlichen Küken der Legelinien getrennt von ihren Schwestern großgezogen und gemästet werden. Die Anzahl der Betriebe, die Bruderküken aufziehen, nimmt verhalten aber stetig zu und zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette für Lebensmittel. In Deutschland existieren derzeit mehr als 50 Initiativen, die sich mit der Bruderhahn-Aufzucht befassen. Circa zwei Drittel der Bruderhahn-Initiativen wirtschaften nach ökologischen Kriterien, ein Drittel arbeitet konventionell. Dabei werden die unterschiedlichsten Modelle praktiziert:
1) Bruderhahn Initiative Deutschland – 4 Cent für die Ethik
In dem Verein sind über 30 Akteure aus der gesamten landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette organisiert – Landwirte, verarbeitende Betriebe, Großhändler und Verbraucher. "4 Cent für die Ethik" lautet der Slogan, mit dem die Initiative die Mehrkosten der Eier im Großhandel bewirbt. Das bedeutet, Eier von Legehennen, deren männliche Küken als Masthähnchen aufgezogen werden, kosten im Supermarkt vier Cent mehr pro Ei. Diese Unterstützung wird für die Aufzucht der männlichen Küken verwendet (Querfinanzierung der Bruderhahn-Aufzucht).
2) Pensionsbetrieb für Bruderhähne
Ein interessantes Konzept verwirklicht ein Aufzuchtbetrieb in Ostwestfalen mit dem Projekt Mein Bruderhahn, das er für seine Ablegebetriebe ins Leben gerufen hat. Der Betrieb zieht nicht nur die eigenen Bruderhähne auf, sondern auch diejenigen anderer Bio-Höfe. Damit will der Aufzuchtbetrieb Landwirten den Einstieg in die Bruderhahnaufzucht und -vermarktung erleichtern.
3) Erzeugerzusammenschlüsse
Ein Beispiel hierfür ist die Marke haehnlein, hinter der 19 Bio-Betriebe aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg stehen. Die Erzeugergemeinschaft zieht die Bruderküken zum Teil zusammen mit den Junghennen auf. Das Fleisch der Brudertiere wird verarbeitet und entweder als ganzes Tier, in Teilstücken, als Tiefkühl-Fertiggericht oder als Salami vermarktet. Die Eier der Schwester-Legehennen kosten im Supermarkt vier Cent mehr pro Ei (siehe auch Bruderhahn Initiative Deutschland).
4) Lohnverarbeitung von Brudertieren
Anders geht eine Gruppe von Biolandwirten aus Nordhessen (Bickus - Hessische Biohuhn eG) vor. Sie verwertet das Fleisch der Bruderhähne selbst zu hochwertigen Produkten wie Soßen, Filets oder Patès. Auch die Rezepte hierfür entwickelten sie selbst. Zusätzlich bieten die Landwirte eine Lohnverarbeitung der Brudertiere an.
Anteil der Bruderhahnaufzucht in Deutschland noch gering
Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft beziffert die Zahl der gemästeten Brudertiere derzeit auf 5 Millionen (von insgesamt circa 42 Millionen geschlüpften männlichen Küken der Legelinien). Das liegt unter anderem daran, dass männliche Legehybriden im Vergleich zu Mastgeflügel deutlich weniger und langsamer Fleisch ansetzen und eine schlechtere Futterverwertung aufweisen: Während herkömmliche Masthybriden etwa 1,2 bis 1,7 Kilogramm Futter für ein Kilogramm Zuwachs verbrauchen, sind es bei den Brudertieren mindestens vier Kilogramm Futter. Und je länger die Mastzeit dauert, desto schlechter wird die Futterverwertung. Um ein akzeptables Schlachtgewicht von zwei Kilogramm zu erzielen, benötigt ein männlicher Legehybrid bis zu 22 Wochen. In dieser Zeit frisst er circa 11 Kilogramm Futter, muss versorgt und betreut werden und beansprucht Stallfläche.