Sauen & Ferkel: So viel mehr kosten tiergerechte HaltungenSauen & Ferkel: So viel mehr kosten tiergerechte Haltungen

So viel mehr kosten tiergerechte Haltungen

Ferkelerzeugungs- und Ferkelaufzuchtbetriebe, die in tiergerechte Stall- und Haltungskonzepte investieren wollen, müssen mit deutlich mehr Arbeit und erhöhten Baukosten rechnen. In der Ferkelerzeugung können dadurch Mehrkosten von bis zu 544 Euro je Sauenplatz und Jahr entstehen.

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft stellt schon seit vielen Jahren hohe Anforderungen an die deutschen Ferkelerzeugungs- und Ferkelaufzuchtbetriebe. Enormer Kostendruck und neue Auflagen erfordern eine ständige Anpassung der Produktions- und Vermarktungsstrukturen. Hinzugekommen sind in den letzten Jahren neue Ansprüche und Vorstellungen der Gesellschaft. Neben mehr Umwelt- und Klimaschutz wird von dieser Seite vor allem gefordert, mehr für das Tierwohl in der Nutztierhaltung zu tun. Diese Situation stellt die Schweinhalterinnen und Schweinehalter aktuell vor große Herausforderungen. Wollen Sie diesen Forderungen nachkommen, müssen sie an ihren Haltungssystemen – und damit auch an ihren Ställen – entsprechende Veränderungen vornehmen.

Was macht einen zukunftsfähigen Stall aus?

Wie solche Stall- und Haltungssysteme für eine zukunftsfähige Sauenhaltung und Ferkelaufzucht aussehen könnten, damit haben sich Fachleute der Landesanstalten, Landesämter und Landwirtschaftskammern aus ganz Deutschland beschäftigt. Unterstützt wurden sie von Spezialberatern des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL) und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG). In einer über 230-seitigen Broschüre haben sie ihr Fachwissen für Praktikerinnen und Praktiker aufbereitet. Die Broschüre wird ab Ende Juli 2021 beim BLE-Medienservice zum kostenlosen Download angeboten.


Broschüre: Gesamtbetriebliches Haltungskonzept Schwein - Sauen und Ferkel

Zukunftsfähige nachhaltige Haltungssysteme für die Sauenhaltung und Ferkelaufzucht müssen der gesellschaftlichen Forderung nach "mehr Tierwohl" gerecht werden. Gleichzeitig müssen sie umweltgerecht, klimaschonend und wettbewerbsfähig sein.

Die 236-seitige BZL-Broschüre richtet sich an die landwirtschaftliche Praxis, erarbeitet wurde sie von Fachleuten der Landesanstalten, Landesämter und Landwirtschaftskammern aus ganz Deutschland.

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Ein zukunftsfähiges Stall- und Haltungssystem, so sind sich die Fachleute einig, soll den Tieren nicht nur mehr Platz, sondern auch ein stärkeres Ausleben arttypischer Verhaltensweisen ermöglichen. Dies wird zum Beispiel dadurch erreicht, dass Decksauen in Gruppen gehalten, die Haltungsdauer in Kastenständen reduziert und die Säugezeit verlängert wird. Sehr wichtig sind zudem strukturierte Buchten mit eingestreutem Liegebereich. Sie trennen die Funktionsbereiche Ruhen-Fressen-Ausscheiden und bieten den Tieren mehr Komfort. Große Bedeutung hat auch der Einsatz von verzehrbarem organischem Material: Es beschäftigt die Schweine und ist gut für deren Verdauung und Gesundheit. Eine zusätzliche Steigerung des Tierwohls lässt sich schließlich über einen Zugang zu Außenklimabereichen oder einen Auslauf im Freien erreichen.

Kompromisslose Umsetzung nur im Neubau möglich

Die vielen baulichen und technischen Veränderungen, die für eine tiergerechtere Haltung nötig sind, lassen sich nur zum Teil durch Umbaumaßnahmen in bestehenden Ställen bewerkstelligen. Will man die neuen Stall- und Haltungskonzepte kompromisslos umsetzen, ist nach Meinung der Expertinnen und Experten ein Neubau unumgänglich: Denn die Buchten müssen strukturiert und mit entsprechender Technik für Wasser und Fütterung versehen werden. Für die Einbringung und Dosierung von Beschäftigungsmaterial und Einstreu braucht es ebenfalls neue Technik. Außerdem sind neue Entmistungssysteme erforderlich. Denn das vermehrte Angebot von organischem Material zur Einstreu und Beschäftigung führt schnell zu Problemen bei den herkömmlichen Güllesystemen.

Diese baulichen und technischen Veränderungen sowie der zusätzliche Platzbedarf verursachen zum Teil erhebliche Mehrkosten. Kalkulatorisch ins Gewicht fällt vor allem auch der zusätzliche Arbeitszeitbedarf, der durch die neuen Haltungssysteme entsteht.

Arbeitszeitbedarf erhöht sich deutlich

Ein erhöhtes Platzangebot – ggf. mit zusätzlicher Auslauffläche –, planbefestigte Böden, zusätzliches Beschäftigungsfutter, Einstreu, offene Tränken, geringere Fixierungszeiten der Sauen – alles das bedeutet für die Betriebe mehr Arbeit. Stephan Fritzsche vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) geht davon aus, dass Ferkelerzeugerinnen und Ferkelerzeuger mit 3,65 Arbeitskraftstunden (AKh) je produktive Sau und Jahr mehr rechnen müssen. In der Ferkelaufzucht erhöht sich der Arbeitszeitbedarf um etwa 0,37 AKh je Tierplatz und Jahr.

Verglichen mit den aktuellen Haltungssystemen bedeutet dies fast eine Verdoppelung der Arbeitszeit. Und dabei ist der zusätzliche Arbeitsaufwand, der im Rahmen von Tierwohlprogrammen – zum Beispiel Haltung unkupierter Schweine – anfällt, noch gar nicht enthalten.

Mit welchen Mehrkosten ist zu rechnen?

Um einen Überblick zu erhalten, mit wie viel Mehrkosten Sauenhaltungs- und Ferkelaufzuchtbetriebe rechnen müssen, hat Bernhard Feller von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen umfassende Berechnungen angestellt. In die Kalkulation eingeflossen sind dabei die Kosten für einen Neubau sowie den laufenden Unterhalt. Bei den Baukosten je Quadratmeter hat Feller drei mögliche Szenarien durchgespielt: gleiche Baukosten wie bisher, um 10 und um 25 Prozent erhöhte Baukosten. Auch Haltungskonzepte mit Auslauf wurden bei der Kalkulation berücksichtigt. Ausgegangen ist Feller außerdem von einem erhöhten Platzangebot (berücksichtigt ist die Bruttostallfläche also inklusiver Futter- und Zentralgängen, siehe Tabelle 2).

Tabelle 1: Wie viel mehr Platz (pro Schwein) bieten zukunftsfähige Ställe?
 

Aktueller ­Standard

Tiergerechter Stall ohne Auslauf

Tiergerechter Stall mit Auslauf

Ferkelerzeugung

Abferkelstall

6 m2

8,5 m2

12,5 m2

Deckstall

2,4 m2

7,5 m2

9 m2

Wartestall

2,4 m2

4,5 m2

6 m2

Nebenräume

2,4 m2

3,2 m2

3,2 m2

Ferkelaufzucht

0,45 m2

0,8 m2

0,9 m2

Mehrkosten Ferkelerzeugung

Bei der Ferkelerzeugung kann man, so Feller, sicher davon ausgehen, dass sich die Baukosten je Quadratmeter durch die benötigte zusätzliche Technik verteuern werden. Je nachdem, wie intensiv die Tierwohlmaßnahmen umgesetzt werden, ist dabei mindestens mit 10, wahrscheinlicher aber mit 25 Prozent höheren Baupreisen zu rechnen. Kalkuliert man eine Baupreiserhöhung von 10 Prozent ein, entstehen Mehrkosten in Höhe von 296,09 Euro je Sau und Jahr bzw. 10,21 pro Ferkel. Liegen die Baupreise dagegen um 25 Prozent höher, ergeben sich 346,11 Euro mehr pro Sau und Jahr bzw. 11,93 pro Ferkel. Für einen Stall mit Auslauf ins Freie muss man sogar 543,86 Euro je Sau und Jahr bzw. 18,75 je Ferkel drauf zahlen.

Mehrkosten Ferkelaufzucht

In der Ferkelaufzucht variieren die Kosten je Ferkel vor allem durch die notwendige Fläche je Tier. Dies kann durch einen erhöhten Anteil an Gängen, aber auch durch Auslaufflächen bedingt sein. Verglichen mit dem Standardstall kostet der Tierwohlstall – gleiche Baupreise vorausgesetzt – 5,31 Euro mehr pro Ferkel. Nimmt man eine Baupreissteigerung von 10 Prozent an, ergeben sich Mehrkosten in Höhe von 5,92 Euro. Bei 25 Prozent Baupreissteigerung müssen schon 6,82 Euro drauf gezahlt werden und mit Auslauf ins Freie sind sogar 9,91 Euro fällig.

Mehrkosten von Ferkelerzeugung bis Mast

Geht man davon aus, dass sich die Kosten für ein tiergerechtes Stall- und Haltungskonzept in der Schweinemast um 15 bis 40 Euro erhöhen, ergeben sich insgesamt – das heißt von der Ferkelerzeugung über die Ferkelaufzucht bis hin zur Mast – Mehrkosten je Schwein von 30 bis maximal 70 Euro – je nachdem welcher Baupreis zugrunde gelegt wurde und ob es sich um einen Stall mit oder ohne Auslauf handelt.

Tabelle 2: Mehrkosten für ein tiergerechtes Stall- und Haltungskonzept für Sauen und Ferkel
 Einheit

Baupreise gleich

Baupreis + 10 %

Baupreis + 25 %

mit Auslauf

Mehrkosten Haltungskonzept Ferkelerzeugung

pro Sauenplatz

€/Sau

262,75

296,09

346,11

543,86

pro Ferkel

€/Ferkel

9,06

10,21

11,93

18,75

Mehrkosten Haltungskonzept Ferkelaufzucht

pro Aufzuchtplatz

€/AZP

31,87

35,50

40,94

59,44

pro Ferkel

€/Ferkel

5,31

5,92

6,82

9,91

Mehrkosten Haltungskonzept Schweinemast

pro Mastplatz

€/MP

40,16

46,96

65,66

107,10

pro Mastschwein

€/MS

14,87

17,39

24,32

39,67

pro kg Schlachtgewicht (bei 96 kg SG/Tier)

€/kg SG

0,15

0,18

0,25

0,41

Mehrkosten Haltungskonzept Gesamt – von der Ferkelerzeugung bis zur Mast

Mehrkosten

€/Tier

29,25

33,52

43,08

68,33

Mehrkosten Haltungskonzept Gesamt – bezogen auf ein Schlachtschwein mit 96 kg SG

Mehrkosten

€/kg SG

0,30

0,35

0,45

0,71

Quelle: Gesamtbetriebliches Haltungskonzept Schwein – Sauen und Ferkel, BZL, 2021

Zusätzliche Kosten für Tierkontrolle von Langschwanzschweinen

Grundsätzlich sind die in der BZL-Broschüre vorgestellten Stall- und Haltungskonzepte darauf ausgelegt, unkupierte Schweine zu halten. Die Kosten, die durch die zusätzliche Kontrolle von solchen Schweinen entstehen, sind in den oben angegebenen Mehrkosten noch nicht berücksichtigt. Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die Erfahrungen mit unkupierten Schweine haben, berichten, dass für Tierbeobachtung, Selektion und Steuerung von Gegenmaßnahmen die doppelte bis dreifache Arbeitszeit eingerechnet werden muss. Manche Betriebe geben sogar eine Vervierfachung der Arbeitszeit an. Summiert man diese zusätzlichen Arbeitszeitkosten für die gesamte Kette von der Ferkelerzeugung bis zur Schweinemast, kommen noch einmal Mehrkosten von rund 70 Euro je fertig gemästetes Schwein hinzu.

Letzte Aktualisierung 12.07.2021

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