Brustbeinschäden erkennen und vorbeugen Brustbeinschäden erkennen und vorbeugen

Brustbeinschäden erkennen und vorbeugen

Brustbeinveränderungen bei Legehennen bleiben häufig unbemerkt. Doch sie verursachen Schmerzen bei den Tieren und sie wirken sich negativ auf die Tiergesundheit und die Leistung von Hennen aus. Deshalb müssen sie verhindert werden.

Dass Legehennen Schädigungen an ihren Brustbeinen aufweisen, ist keine Seltenheit. Eigentlich ist jede Herde von dem Phänomen betroffen, und zwar unabhängig von der Haltungsform der Tiere (zum Beispiel Boden, Voliere, Kleingruppe) und der Wirtschaftsweise des Betriebs (konventionell oder ökologisch). Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass oft mehr als die Hälfte der Tiere einer Herde Deformationen oder sogar Brüche des Brustbeins haben; am Ende einer Legeperiode können bis zu 100 Prozent der Tiere betroffen sein. Es gibt nur wenige Herden, bei denen Brustbeinveränderungen ausbleiben.

Brustbeinschäden – ein Krankheitskomplex

Wer die Schlachtkörper von Hühnern auf dem Schlachthof unter die Lupe nimmt, entdeckt daran häufig Frakturen und Deformationen.

a) Traumatische Frakturen

Manche Frakturen betreffen das gesamte Brustbein und wurden durch ein Trauma verursacht.

b) Nichttraumatische Frakturen

Andere Frakturen konzentrieren sich charakteristischerweise auf das kaudale Drittel des Brustbeines (kaudal = schwanzwärts) und verlaufen stets von der Bauchseite zur Rückenseite. Bei diesen so genannten nichttraumatischen Frakturen vermuten Fachleute, dass sie mit dem frühen Beginn der Eiablage der heutigen Hochleistungslegehennen zusammenhängen, die in aller Regel in der 21. Lebenswoche startet. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verknöcherung des Brustbeins (vor allem dessen hinterer Teil) noch nicht abgeschlossen. Das geschieht erst in der 33. Lebenswoche.

c) Deformationen

Auch Deformationen des Brustbeins werden am Schlachthof immer wieder gefunden. Man kann sie sowohl an der Kielseite des Brustbeins als auch auf der dem Kiel abgewandten Seite lokalisieren.

Die Gründe für diese Deformationen sind schwer auszumachen, denn sie treten nicht nur bei Legehennen, sondern auch bei Hähnen oder nicht legenden Tieren auf. Eine Hypothese hierfür ist die mangelnde Verfügbarkeit von Calcium, entweder aus dem Körper selbst oder über das Futter. Darüber hinaus scheint das Tageslicht einen positiven Einfluss auf die Knochenstabilität zu haben. Aufgrund der verschiedenen Ursachen für Brustbeinschäden spricht man von einem Krankheitskomplex.

Die Folgen – tierschutzrelevant und ökonomisch von Nachteil

Tatsache ist, dass Brustbeinveränderungen das Wohlbefinden von Legehennen stark beeinträchtigen, weil sie bei den Tieren unmittelbare oder auch langanhaltende Schmerzen verursachen. Denn Hennen sind gezwungen, auch gebrochene Brustbeine zu belasten – zum Beispiel, um die erhöhten Ebenen im Stall zu erreichen und um ihre Futter- und Wasserplätze oder die Nester aufzusuchen. Doch weil der große Flugmuskel direkt am Brustbein ansetzt, übt er bei jeder Bewegung Zug auf das Brustbein aus. Das schmerzt die Tiere und beeinträchtigt sie in ihrer Mobilität. Irgendwann wirkt sich dies auch auf die Leistung der Hennen aus. Die Tiere legen weniger Eier und sie legen diese nicht mehr in die Nester. Außerdem erkranken sie häufiger. Doch wieso leiden so viele Tiere unter einem geschädigten Brustbein?

Brustbeinschäden haben viele Ursachen

Legeleistung

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Herden mit einer hohen Legeleistung besonders von Brustbeinschäden betroffen sind. Das liegt daran, dass die Tiere zur Bildung der Eischale täglich etwa 2,5 Gramm Kalzium bereitstellen müssen. Circa 30 bis 40 Prozent des benötigten Kalziums mobilisieren sie aus ihrem eigenen Körper, insbesondere aus dem sogenannten medullären Knochen, der als temporärer Kalziumspeicher dient. Dieser Knochen ist bei jedem weiblichen Vogel während der Legephase vorhanden, bei Hochleistungshennen also während der gesamten Legezeit. Doch sein Aufbau geschieht auf Kosten anderer Knochensubstanz.

Medullärer Knochen dient den Tieren als Calciumspeicher

Bei weiblichen Vögeln wächst – ausgelöst durch Östrogene  – einige Tage vor der Legeperiode ein zusätzliches Mineraldepot im Röhrenknochenmark. Dieser so genannte medulläre Knochen (medullary bone) entsteht beim Huhn vor allem in der Markhöhle des Oberschenkelknochens. Dort wird das für die Produktion von Eierschalen nötige Kalzium als schnell verfügbares Depot gespeichert. Ist für die Eischalenbildung nicht genügend Kalzium verfügbar, wird der medulläre Knochen abgebaut. Schwankungen in der Kalziumversorgung durch die Ernährung können so in gewissen Grenzen ausgeglichen werden.

Um medullären Knochen zu bilden, werden andere Bestandteile wie struktureller Knochen umgebaut. Ist das letzte Ei gelegt, wird die medulläre Knochensubstanz vom Körper resorbiert.

Die Legeleistung ist nicht der einzige, die Knochengesundheit beeinflussende Faktor. Auch das Alter der Tiere, das Haltungssystem, die Fütterung, die Genetik oder Stress in der Herde spielen eine Rolle. Deshalb spricht man bei Brustbeinschäden von einem multifaktoriellen Problem.

Haltungssystem

Häufige Gründe für haltungsbedingte Brustbeinschäden sind Abstürzen aus großer Höhe, Kollisionen mit Sitzstangen, Druckbelastungen durch Sitzstangen, Ermüdungsbrüche oder Frakturen beim Ausstallen. Untersuchungen zeigen, dass Hennen in Volieren mehr Brustbeinschäden aufweisen als Hennen in Bodenhaltungen und dass der Anteil von Schädigungen in Ställen ohne Tageslicht höher ist als in Ställen mit Tageslicht. Darüber hinaus nehmen Brustbeinfakturen zu, wenn die Hennen älter und ihre Knochen spröde und brüchig werden.

Fütterung

Auch die allgemeine Konstitution spielt eine Rolle. Und die Erfahrung zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit von Brustbeinschäden in einer Herde groß ist, wenn sie viele untergewichtige Hennen zählt. Vermutlich fehlen diesen Tieren wichtige Nährstoffe. Deshalb ist die bedarfsgerechte Fütterung der Jung- und Legehennen von großer Bedeutung. Darüber hinaus spielt die Versorgung mit Kalzium – zum Beispiel in Form von Futterkalk - eine wichtige Rolle, da dieses Element für eine gute Knochenbildung notwendig ist.

Doch eine Schwierigkeit gibt es, wie wissenschaftliche Studien aufdeckt haben: Auch wenn man Legehennen mehr Kalzium füttert, kommt davon nur wenig bei den Tieren an. Das liegt daran, dass die Aufnahme von Kalziumphosphat über das Futter und dessen Resorption über den Dünndarm begrenzt ist. Dasselbe trifft auf die Aufnahme von Vitamin D zu, welches eine wichtige Rolle im Kalziumstoffwechsel spielt. Bei Vitamin D kommt hinzu, dass es nach dem Zusatz über das Futter hauptsächlich im Eigelb und nicht in den Knochen der Tiere wiederzufinden ist.

Die Fütterung von Omega-3-Fettsäuren scheint dagegen einen positiven Effekt zu haben. Mit diesen Fettsäuren behandelte Tiere wiesen in Untersuchungen elastischere Knochen auf und hatten weniger Frakturen. Allerdings ließen Eiqualität und Eimasse zu wünschen übrig. Derzeit suchen Forschende nach dem richtigen Verhältnis von Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren zueinander, um diese negativen Effekte zu unterbinden.

Genetik

Auch ein genetischer Einfluss ist bei Brustbeinschäden erkennbar. So weißen Braunleger mehr Frakturen des Brustbeins auf, während bei Weißlegern eher Deformationen gefunden werden. Doch auch alte Rassen bleiben nicht verschont. In Versuchen mit verschiedenen Hühnerrassen waren im Durchschnitt 50 Prozent der Tiere von Brustbeinschäden (Deformationen) betroffen, wenn auch nur von sehr leichten. Aktuelle Studien beschäftigen sich mit dem Beitrag der Züchtung zur Reduzierung von Brustbeinveränderungen.

Brustbeinschäden regelmäßig erfassen

Problematisch ist, dass Brustbeinfrakturen im Legebetrieb kaum auffallen, da die Tiere durch bloßes Hinsehen kaum auszumachen sind. Tierbetreuer nehmen Veränderungen oft erst durch zielgerichtetes Betasten wahr. Deshalb sind regelmäßige Tierbonituren sehr wichtig, bei denen Brustbeinschäden erhoben und dokumentiert werden. Bewährt hat sich folgende Vorgehensweise:

1) Fangen der Tiere vorzugsweise am Abend (im Dunkeln) im Zweierteam. Ein Tierbetreuer fängt, der andere palpiert (fühlt) das Brustbein. Dieses Vorgehen hält den Stress für die Tiere gering.

2) Alle Stallbereiche in die Bonitur einbeziehen, um stets unterschiedliche Tiere zu bewerten.

3) Das zu bonitierende Tier auf dem Unterarm absetzen, die Beine mit den Fingern etwas spreizen und das Tier auf den Rücken drehen. Auf dem Oberschenkel abstützen und mit Zeigefinger und Daumen gefühlvoll am Brustbeinkamm entlang fahren.

4) Ergebnis in einem Erhebungsbogen dokumentieren. Bewährt hat sich das folgende dreistufige Bewertungsschema:

  • 0 - ohne fühlbares Kallusgewebe oder Zusammenhangstrennungen, Brustbein weist keine Abweichungen von der Mittellinie auf
  • 1 - Kallusgewebe oder Zusammenhangstrennungen fühlbar, Brustbein weist Abweichungen von der Mittellinie von weniger als einem Zentimeter auf
  • 2 - Kallusgewebe oder Zusammenhangstrennungen fühlbar, Brustbein weist Abweichungen von der Mittellinie von mehr als einem Zentimeter auf

5) Den Anteil der Herde errechnen, der zum Zeitpunkt der Bonitur von Brustbeinschäden betroffen ist.

Bei regelmäßigen Bonituren lassen sich Tendenzen absehen und Vergleiche zwischen verschiedenen Herden ziehen.

Fazit

Brustbeinschäden bei Legehennen können zwar nicht gänzlich verhindert werden. Ihr Auftreten lässt sich jedoch durch eine Verbesserung der Haltung, über entsprechende Futterzusätze, durch den Einsatz entsprechender Genetiken, aber auch durch ein Training der Junghennen reduzieren. Folgende Checkliste bietet eine Hilfestellung:

Checkliste – Brustbeinschäden vorbeugen

  1. Füttern Sie Ihre Tiere bedarfsgerecht (entsprechend der Züchtervorgaben).
  2. Bieten Sie den Hennen zusätzlich Futterkalk an, zum Beispiel in Form von Muschelkalk.
  3. Gestatten Sie bereits den Junghennen frühzeitig den Zugang zu Sitzstangen. So fördern Sie den sicheren An- und Abflug im Haltungssystem und die Tiere lernen, zwischen den unterschiedlichen Ebenen zu wechseln. Vorteilhaft ist es, wenn sich Aufzuchtstall und Produktionsstall ähneln.
  4. Gewöhnen Sie die Hennen früh an den Menschen. So vermeiden Sie Panik unter den Tieren und plötzliches Auffliegen.
  5. Verwenden Sie rutschfeste Sitzstangen. Nutzen Sie Rampen als Auf- und Abstiegshilfen.
  6. Breite Flure helfen den Hennen, einen optimalen Abflugwinkel zu finden. So werden Kollisionen mit Wänden oder mit Einrichtungsgegenständen vermieden.
  7. Sorgen Sie für eine ausreichende Stallbeleuchtung/Tageslicht, damit die Tiere ihre Umgebung wahrnehmen und Gegenstände wie Sitzstangen und erhöhte Ebenen beim Anfliegen genau fokussieren können. Verlängern Sie eventuell die Dämmerungsphase.

Letzte Aktualisierung 02.11.2021

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