Dauermelken als BetriebsstrategieDauermelken als Betriebsstrategie

Dauermelken als Betriebsstrategie

Milchziegen länger als üblich zu melken, hat Vorteile. Vor allem Betriebe, die Molkereien beliefern, entscheiden sich bei einem Teil ihrer Herde gegen die klassische Laktation und für das Dauermelken. Dafür ist ein gutes Management erforderlich. Was ist beim dauerhaften Melken zu beachten und welche Erkenntnisse liegen vor?

Frankreich praktiziert das Dauermelken schon länger. In Deutschland hat das Thema erst vor wenigen Jahren Fahrt aufgenommen. 34 Prozent der deutschen Milchziegenbetriebe melken bereits dauerhaft. Ziegen sind saisonal brünstig und werden in der Regel einmal im Jahr belegt. Die Kitze werden nach einer Tragezeit von rund fünf Monaten hauptsächlich im Frühjahr geboren. Vor dem Geburtstermin werden die Ziegen zirka zwei Monate trockengestellt. Damit liegt die übliche Laktationsdauer zwischen 200 und 300 Tagen. Deswegen berücksichtigen die Ziegenzucht- und Leistungskontrollverbände bei der Zuchtwertschätzung die 240-Tage-Leistung als Standard. Der vorgegebene natürliche Rhythmus mit jährlicher Ablammung bedingt die klassische Laktation.

Definition für Dauermelken

Im Gegensatz zur klassischen Laktationsdauer bedeutet Dauermelken, dass die Laktation über einen Zeitraum von einem bis zu mehreren Jahren verlängert wird, ohne dass die Tiere in dieser Phase erneut belegt werden. Die Laktationsdauer liegt zwischen 640 und 1.200 Tagen. Nach dem Französischen Institut für Tierzucht befindet sich eine Milchziege in einer langen Laktation, wenn diese mindestens 480 Tage dauert. Die durchschnittliche Laktationszeit wird mit 700 Tagen angegeben.

"Dauermelken" sowie "verlängerte Laktation" oder "lange Laktation" sind die geläufigen und korrekten Begriffe. Die Bezeichnung "Durchmelken" hingegen ist falsch, denn damit ist das Weitermelken einer hochträchtigen Ziege gemeint, die nicht trockengestellt wird. Dauermelken und Durchmelken werden auch in der Literatur oft verwechselt. Das Durchmelken verstößt jedoch gegen die gute fachliche Praxis.

Wie Dauermelken zum Beispiel praktiziert werden kann, zeigt dieses Verfahren:

  1. Eine Jungziege wird erstmals mit sieben bis neun Monaten gedeckt, dann folgt eine Laktationszeit von 600 Tagen sowie die Trockenstehphase von sechs bis acht Wochen.
  2. Die zweite Ablammung erfolgt mit zirka 35 Monaten, daraufhin kann bis zum Ende der Nutzungsdauer gemolken werden.
  3. Es empfiehlt sich, nicht mehr als 50 Prozent der Herde dauerhaft zu melken. Für die Remontierung sollten 10 bis 30 Prozent der besten Tiere belegt werden, spätestens nach einer Laktationsdauer von 900 Tagen.
  4. Eine Selektion sollte Milchleistung, Persistenz und Zellzahl berücksichtigen (siehe wissenschaftliche Erkenntnisse unten).

Was spricht für Dauermelken?

  • Betriebe, die dauerhaft melken, sind nicht mehr an den saisonalen Rhythmus gebunden. Sie können Molkereien ganzjährig beliefern und profitieren außerdem von einem erhöhten Auszahlungspreis im Winter, weil die Milch dann mehr Inhaltsstoffe aufweist. Außerdem wird insgesamt mehr Milch erzeugt, vorausgesetzt das Management ist gut. Auch bei der Direktvermarktung kann das ganze Jahr über Käse hergestellt und verkauft werden. Dauermelken ist also ökonomisch interessant.
  • Es fallen insgesamt weniger Kitze an. Männliche Kitze sind nur schwer und meist unrentabel zu vermarkten. Weniger Kitze je Lammzeit bedeuten nicht nur weniger Arbeit, sondern auch geringer ausgeprägte Arbeitsspitzen und mehr Platz im Stall.
  • Eine geringere Anzahl an Geburten minimiert das gesundheitliche Risiko für das Einzeltier, was sich wiederum auf die Tierarztkosten auswirkt.
  • Die sensible Vorbereitungs- und Startphase der Laktation, in der die Tiere einen höheren Nährstoffbedarf haben, fällt weg.
  • Die Nutzungsdauer der Ziegen verlängert sich, da die Tiere davon profitieren, nicht tragend zu sein. Auch Hochleistungstiere mit Fruchtbarkeitsproblemen können im Bestand verbleiben.

Was sind die Minuspunkte?

  • Im Winter entfällt die gewohnte Arbeitspause.
  • Weniger Kitze verringern die Selektionsmöglichkeiten und die Anzahl potenzieller Zuchttiere.
  • Das Brunstverhalten kann Probleme bereiten. Abhilfe kann ein Lichtprogramm schaffen, mit dem die Tiere erst gar nicht in die Brunst kommen. Ein Rhythmus von 16 Stunden Licht und acht Stunden Dunkelheit verschleiert, dass die Tage im Herbst kürzer werden.
  • Die Ziegen müssen aufgrund einer fehlenden Trächtigkeit energiereduzierter gefüttert werden, weil sie sonst verfetten. Kommt es zu einer Überversorgung, kann die Milchleistung abfallen. In Frankreich bekommen Ziegen in verlängerter Laktation zum Beispiel nur 80 Prozent des Kraftfutters als diejenigen, die sich in einer klassischen Laktation befinden.
  • Die Betriebe müssen vermehrt Gruppen bilden, um den Teil der Tiere, die in der Deck-, Trockensteh- sowie Lammzeit sind, zu separieren. Hinzu kommt, dass Ziegen in verlängerter Laktation über die Wintermonate manchmal nur einmal täglich gemolken werden, weil sie mengenmäßig abfallen. Das zieht wieder eine Sortierung nach sich.
  • Aufgrund der fehlenden Trockenstehphase können die Ziegen nicht mehr unkompliziert antiparasitär behandelt werden. In der folgenden Wartezeit muss die Milch verworfen werden.
  • Während des Dauermelkens kann eine subklinische Mastitis, die sowieso schlecht zu erkennen ist, nicht ausheilen.
  • In der Milchziegenbranche wurde darüber diskutiert, ob sich Dauermelken negativ auf das Tierwohl auswirken könnte. Hintergrund der Diskussionen war, dass eine verlängerte Laktation nicht dem natürlichen Verhalten der Milchziegen entspricht. Im ökologischen Landbau sollen die Haltungssysteme eigentlich den Tieren angepasst werden und nicht umgekehrt. Bisher gehen Fachleute jedoch davon aus, dass das Dauermelken den Ziegen nicht schadet. Wissenschaftlich untersucht ist das aber noch nicht. Viele süddeutsche Bio-Milchziegenbetriebe, die Molkereien beliefern, praktizieren Dauermelken.

Wissenschaftliche Erkenntnisse

Im Rahmen des umfangreichen BÖLN-Projekts (Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft) "GoOrganic" wurden die Auswirkungen des Dauermelkens untersucht. Eine weitere wichtige Fragestellung war, ob die Eignung auf dauerhaftes Melken vererbbar ist. Das Projekt läuft über verschiedene Phasen seit dem Jahr 2016 unter wissenschaftlicher Federführung der Universität Hohenheim.

Wie wirkt sich Dauermelken aus?

Die Datengrundlage stammte aus der bayerischen Milchleistungsprüfung und umfasste rund 16.600 Weiße und Bunte Deutsche Edelziegen aus 260 Betrieben (1988-2015). Mittels sechs Laktationsabschnitten à 120 Tagen konnten die Forschenden den Einfluss des Dauermelkens auf die Milchleistung, Persistenz der Milchmenge (also die Fähigkeit, möglichst lange eine hohe Milchleistung halten zu können), Milchinhaltsstoffe sowie den Zellgehalt untersuchen. Ab dem 305. Tag galt eine Laktation als Dauermelken.

Dabei zeigte sich, dass Milchziegen in verlängerten Laktationen höhere Milchleistungen sowie niedrigere Zellzahlen zu Laktationsbeginn aufwiesen (Laktationsabschnitte 1 und 2, signifikant). Die Persistenz war ebenfalls höher.

Wurde in der Laktation zuvor bereits dauergemolken, war die Milchleistung in den ersten drei Abschnitten signifikant höher im Vergleich zu Tieren, die sich zuvor in einer klassischen Laktation befanden. Die Milchinhaltsstoffe - Fett und Eiweiß - waren im ersten Abschnitt signifikant niedriger. Auf die Zellzahlen wirkte sich das Dauermelken negativ aus, die Mittelwerte der ersten vier Abschnitte waren signifikant höher.

Die Wissenschaft geht aufgrund dieser Ergebnisse davon aus, dass die Betriebe gezielt Tiere für das Dauermelken ausgewählt haben. Diese Ziegen zeichneten sich von Beginn an durch eine hohe Milchleistung, gute Persistenz sowie niedrige Zellzahlen aus. Demnach gibt es Tiere, die sich besser zum Dauermelken eignen als andere.

Vererbung und Zucht

Die genetischen Untersuchungen haben ergeben, dass die Eignung, dauerhaft Milch geben zu können, vererbbar ist - allerdings im niedrigen Bereich. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass dem Betriebsmanagement eine viel größere Bedeutung zukommt als der Genetik. In bestimmten Laktationsabschnitten ist es möglich, auf Persistenz zu züchten. Bisher wurde für die klassische Laktation jedoch eher auf eine niedrige Persistenz mit einem problemlosen Trockenstellen Wert gelegt, was konträr zu einer hohen Persistenz ohne Trockenstellen ist. Die Ziegenzuchtverbände haben es künftig also mit zwei ganz unterschiedlichen Zuchtzielen zu tun. Wie aus der Branche zu hören ist, wäre eine Selektion auf eine höhere Persistenz relativ schnell möglich, indem man auf die vorhandene Datengrundlage der ersten zwei Laktationsabschnitte - also die 240-Tage-Leistung - zurückgreift. Läge hier bei einer Milchziege schon eine gute Persistenz vor, sei es wahrscheinlich, dass sie diese Leistung auch länger halten könnte.

Weitaus schwieriger ist es jedoch, in der Zuchtwertschätzung einen zusätzlichen Standard für das Dauermelken, wie zum Beispiel eine 720-Tage-Leistung, zu integrieren. Denn in Deutschland sind Zuchtwerte in der Ziegenzüchtung ein relativ neues Instrumentarium. Und eine Berücksichtigung von mehreren Laktationsabschnitten ist momentan wegen der uneinheitlichen Datengrundlage schlecht möglich. Die Betriebe setzen das Dauermelken einfach noch zu spezifisch um und generieren ganz unterschiedliche Laktationskurven.

Letzte Aktualisierung 11.11.2022

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