Zukunftsfähige Haltungskonzepte für Sauen und Ferkel Zukunftsfähige Haltungskonzepte für Sauen und Ferkel

Zukunftsfähige Haltungskonzepte für Sauen und Ferkel

Waren bisher möglichst effizient zu betreibende Ställe gefragt, geht der Trend jetzt hin zu mehr Tierwohl für Sau und Ferkel. Doch wie sehen die zukunftsfähigen Stallkonzepte aus und wie sind sie zu finanzieren? Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) stellt in einer umfangreichen Broschüre Haltungskonzepte für eine moderne und tiergerechte Ferkelerzeugung und Ferkelaufzucht vor.

Die Nutztierhaltung in Deutschland befindet sich im Wandel. Die Gesellschaft fordert von den Landwirtinnen und Landwirten mehr Umwelt- und Klimaschutz und ein deutlich verbessertes Tierwohl. Einige der Tierwohlforderungen finden sich bereits in der im Frühjahr 2021 novellierten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung wieder. Diese Entwicklungen stellen besonders Schweinehalterinnen und Schweinehalter in Deutschland vor große Herausforderung. Sie kommen künftig nicht umhin, in neue Haltungssysteme zu investieren.

Vorschläge für zukunftsfähige Ställe entwickelt

Fachleute der Landesanstalten, Landesämter und Landwirtschaftskammern aus ganz Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren ausgiebig damit beschäftigt, wie Haltungskonzepte für eine zukunftsfähige Sauenhaltung und Ferkelaufzucht aussehen könnten. Unterstützt wurden sie dabei vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL) und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG). Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) hat dieses Fachwissen für Praktikerinnen und Praktiker in einer über 230-seitigen Broschüre aufbereitet, die beim BLE-Medienservice bestellt oder als PDF heruntergeladen werden kann. In der Broschüre finden sich 16 Planungsbeispiele für zukunftsfähige Tierwohlställe. Vier davon werden zusätzlich in anschaulichen Videos auf dem YouTube-Kanal des BZL vorgestellt.


 BZL-Broschüre "Gesamtbetriebliches Haltungskonzept Schwein - Sauen und Ferkel"

Zukunftsfähige Haltungssysteme für die Sauenhaltung und Ferkelaufzucht müssen der gesellschaftlichen Forderung nach "mehr Tierwohl" gerecht werden. Gleichzeitig müssen sie umweltgerecht, klimaschonend und wettbewerbsfähig sein. Eine bundesweit zusammengesetzte Expertengruppe hat dazu Lösungsansätze erarbeitet. Die Broschüre bietet konkrete Handlungsempfehlungen für Praxis, Beratung und Bildung.

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Was macht Haltungskonzepte für Sauen und Ferkel zukunftsfähig?

Die Basis aller zukunftsfähigen Stallmodelle ist: Sie bieten den Tieren mehr Platz. Im Schnitt gehen die Kalkulationsbeispiele des BZL in der Ferkelerzeugung von einer 80-prozentigen Erhöhung des Platzangebots im Vergleich zum derzeitigen Standard aus. Wird zusätzlich noch ein Auslauf angeboten, erhöht sich die Fläche sogar um 133 Prozent. Bei der Ferkelaufzucht ist es etwas anders: Haltungen mit Auslauf bieten den Ferkeln doppelt so viel Platz wie der konventionelle Standard, ohne Auslauf sind es 20 Prozent weniger (siehe Tabelle).

Tabelle: Wie viel Platz (pro Schwein) bieten zukunftsfähige Ställe?

 

Aktueller­­ ­Standard

Tiergerechter Stall ohne Auslauf

Tiergerechter Stall mit Auslauf

Ferkelerzeugung   

Abferkelstall     

6 m2

8,5 m2

12,5 m2

Deckstall

2,4 m2

7,5 m2

9 m2

Wartestall

2,4 m2

4,5 m2

6 m2

Nebenräume

2,4 m2

3,2 m2

3,2 m2

Ferkelaufzucht

0,45 m2

0,8 m2

0,9 m2

Über das höhere Platzangebot soll den Tieren die Möglichkeit gegeben werden, arttypische Verhaltensweisen besser ausleben zu können. Zusätzlich zu dem größeren Platzangebot wird das Tierwohl noch durch weitere Maßnahmen verbessert. Zum Beispiel dadurch, dass die Decksauen in Gruppen gehalten werden und die Haltungsdauer in den Kastenständen deutlich reduziert wird – so wie es inzwischen auch die novellierte Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nach Ablauf der mehrjährigen Fristen zur Umstellung vorsieht.

Sehr wichtig sind auch strukturierte Buchten. Sie trennen die Funktionsbereiche Ruhen, Fressen und Ausscheiden voneinander und ermöglichen den Tieren die Einrichtung komfortabler Liegebereiche. Zudem empfehlen die Expertinnen und Experten eine Säugezeit von mindestens 28 Tagen. Von besonderer Bedeutung für ein verbessertes Tierwohl ist auch der Einsatz von verzehrbarem organischem Material zur Beschäftigung und die Verabreichung von rohfaserreichen Futterrationen. Dadurch können Verhaltensauffälligkeiten vermindert und Aggressivität in den Gruppen reduziert werden, ohne dabei die Leistungen der Tiere zu verringern. Die Faserstoffe haben auch eine positive Wirkung auf die Darmgesundheit der Tiere.

Einige der vorgestellten Stallmodelle sind mit einem Auslauf ausgestattet. Er verschafft den Schweinen zusätzlichen Raum und bietet ihnen die Möglichkeit, sich dem Außenklima mit der jahreszeitlich unterschiedlichen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und dem Sonnenlicht auseinanderzusetzen. Der Auslauf – innen- oder außenliegend – kann dabei überdacht, teilweise überdacht oder offen gestaltet sein.

Neubau in der Regel unumgänglich

Sollen die neuen Haltungskonzepte uneingeschränkt umgesetzt werden, empfehlen die Expertinnen und Experten einen Neubau. Denn die Buchten müssen strukturiert und mit entsprechender Technik für Wasser und Fütterung versehen werden. Für die Einbringung und Dosierung von Beschäftigungsmaterial und Einstreu braucht es neue Technik. Darüber hinaus sind neue Entmistungssysteme erforderlich.

Hoher zusätzlicher Arbeitszeitbedarf

Die Expertinnen und Experten weisen in der BZL-Broschüre darauf hin, dass durch die neuen Haltungskonzepte ein erheblicher zusätzlicher Arbeitszeitbedarf auf die Halterinnen und Halter zukommt. Sie gehen davon aus, dass sich die Arbeitszeit im Vergleich zum derzeitigen Standard um 50 Prozent erhöht. In der Ferkelerzeugung muss mit etwa 3,65 Arbeitskraftstunden (AKh) mehr je produktive Sau und Jahr gerechnet werden. Für Betriebe mit Ferkelaufzucht erhöht sich der Arbeitszeitbedarf um etwa 0,37 AKh je Tierplatz und Jahr, was ebenfalls einer Mehrarbeit von 50 Prozent entspricht. In dieser Kalkulation ist der zusätzliche Arbeitsaufwand, der im Rahmen von Tierwohlprogrammen – zum Beispiel durch Haltung unkupierter Schweine – anfällt, nicht berücksichtigt. Betriebe, die Erfahrung mit unkupierten Schweinen haben, berichten, dass für Tierbeobachtung, Selektion und Steuerung von Gegenmaßnahmen sogar mit einer Verdopplung bis Vervierfachung der Arbeitszeit zu rechnen ist.

Zukunftsfähige Ställe kosten deutlich mehr als der Standard

Die beschriebenen baulich-technischen Veränderungen sowie der zusätzliche Platz- und Arbeitszeitbedarf verursachen zum Teil erhebliche Mehrkosten. In der Ferkelerzeugung können sich der Expertinnen und Experten der BZL-Broschüre zufolge die Kosten um bis zu 544 Euro je Sauenplatz und Jahr erhöhen. Mehr dazu erfahren Sie auf Nutztierhaltung.de im Beitrag Sauen & Ferkel: So viel mehr kosten tiergerechte Haltungen.

Emissionen erschweren Standortfindung

Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist davon auszugehen, dass die auftretenden Emissionen in Außenklimaställen mit freier Lüftung und Auslauf höher sind als die aus zwangsgelüfteten Ställen. Daher müssen zu sensiblen Gebieten wie etwa Wald oder Wohngebieten deutlich höhere Abstände eingehalten werden als bei konventionellen Ställen. Dies macht die Standortwahl schwerer und teurer.

Auch das Genehmigungsverfahren ist aufwändiger, weil durch einen größeren Einwirkungsbereich potentiell mehr Fremdbetriebe als Vorbelastung bei der Beurteilung der Umwelteinwirkungen zu berücksichtigen sind. Dabei gibt es bislang keinen Bonus für besonders tiergerechte Ställe oder Öko-Ställe – sie werden genauso wie konventionelle beurteilt.

Das Bundeskabinett hat allerdings Ende Juni 2021 einer Änderung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) zugestimmt. Diese Verwaltungsvorschrift regelt unter anderem die zulässigen Emissionen und Immissionen von Luftschadstoffen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen der Nutztierhaltung. Nach novellierter TA Luft sollen Tierwohlställe zukünftig niedrigere Emissionsauflagen erfüllen müssen.

Offene Ställe bergen neue Risiken

Offene Ställe ohne rundherum geschlossene Wände sind nach Meinung der Expertinnen und Experten der BZL-Broschüre hygienisch kritischer zu sehen als geschlossene Ställe. So können Schadnager, Vögel oder Wild- und Haustiere leichter in den Tierbereich gelangen und die Schweine mit zum Teil auch lebensmittelrechtlich kritischen Erregern und Parasiten in Kontakt bringen. Auch durch eine aufwändige und teure Einfriedung der Stallungen wird dieses Risiko nicht völlig auszuschalten sein. Behördlicherseits und seitens der abnehmenden Hand muss man sich dieser Tatsachen bewusst sein und konstruktive und faire Lösungen anstreben.


Letzte Aktualisierung 28.10.2022

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