Bullenkälber aus der MilchviehhaltungBullenkälber aus der Milchviehhaltung

Was tun mit Bullenkälbern aus der Milchviehhaltung?

Bei etwa 3,8 Millionen Milchkühen fallen pro Jahr etwa 1,9 Millionen Bullenkälber an. In der Milchviehhaltung ist die Nutzung der männlichen Nachkommen eine Herausforderung.

Die Bullenkälber aus den Milchviehbetrieben können nicht zur Remontierung der Herde genutzt werden. Für die Mast sind sie nur bedingt geeignet, vor allem dann, wenn sie einer auf Milchleistung gezüchteten Rasse angehören. Weil die Mast dieser Kälber bei vielen als unwirtschaftlich gilt und es darum deutschlandweit nur einige Abnehmer gibt, wird ein Teil der Tiere ins Ausland verkauft, etwa in die Niederlande oder nach Spanien.
Durch Überhänge am Markt erlösen die Betriebe bisweilen Preise, die nicht einmal die Kosten für die mittlerweile 28-tägige Aufzucht der Kälber auf dem Milchviehbetrieb abdecken.

Tierschutzrecht verbietet vorzeitige Tötung

Das Töten der Bullenkälber ist aus ethischen und rechtlichen Gründen abzulehnen. Das Tierschutzgesetz in Deutschland verbietet ausdrücklich das Töten von Tieren ohne vernünftigen Grund. Wirtschaftliche Ineffizienz gilt nicht als ausreichender Grund. Auch wenn es bisher noch keine umfassende Lösung für eine wirtschaftliche Verwertung der Mengen von Bullenkälbern gibt, wurden vielversprechende Ansätze entwickelt. Einige Betriebe besamen zum Beispiel nur noch besonders leistungsstarke Kühe mit Bullen milchbetonter Rassen wie Holstein Friesian. Für die Besamung von Kühen mit mittlerer oder unterdurchschnittlicher Leistung werden dagegen fleischbetonte Bullen gewählt, deren Nachkommen für die Mast dann geeigneter sind und höhere Erlöse bringen.

Einkreuzung von Fleischrassen

Obwohl auch die eingekreuzten Bullenkälber nicht die Leistung und Fleischqualität reiner Fleischrassen-Kälber erreichen, sind sie für die Mast besser geeignet und erzielen deshalb deutlich höhere Preise als Bullenkälber reiner Milchviehrassen. Allerdings kann das Einkreuzen von Fleischrassen wie Blau-Weiße Belgier oder auch Charolais das Risiko für Schwergeburten erhöhen. In der Praxis hat sich die relativ neue Fleischrasse INRA 95 als gut geeignet für das Einkreuzen erwiesen.

Ein noch konsequenterer Schritt zur besseren Verwertbarkeit von Bullenkälbern oder auch Kuhkälbern, die nicht zur Remontierung genutzt werden, wäre es, reine Milchrassen durch klassische Zweinutzungsrassen wie Fleckvieh zu ersetzen. Das könnte sich betriebsindividuell je nach Leistungsniveau, Milch- und Fleischpreis durchaus bezahlt machen. Denn für Fleckviehkälber und schlachtreife Kühe lassen sich deutlich höhere Preise erzielen als etwa für Schwarz-Bunte. Der Mehrerlös aus dem Verkauf von Kalb und Schlachtkuh kompensiert nach Einschätzungen von Fachberaterinnen und Fachberatern etwa 1.000 Liter weniger Milchleistung bei der Haltung einer Zweinutzungsrasse.

Gesextes Sperma für leistungsstarke Kühe

Eine weitere Alternative ist der Einsatz von sogenanntem gesexten Sperma zur Besamung von Milchkühen. Bei gesextem Sperma werden männliche und weibliche Spermien vorab getrennt. Auf diese Weise lässt sich der Anteil weiblicher Nachkommen in der Praxis auf etwa 90 Prozent steigern.

Nachteil der Methode ist, dass ein weiterer Überhang an weiblichen Kälbern entsteht, da auch hierbei nur ein Teil der Nachkommen zur Remontierung der Herde benötigt wird. Zudem eignen sich weibliche Kälber reiner Milchrassen noch weniger für die Mast als Bullenkälber. In der Beratung gilt deshalb die Empfehlung, nur Kühe mit überdurchschnittlicher Milchleistung mit gesextem Sperma zu besamen. Der Rest der Herde sollte dagegen mit fleischbetonten Rassen besamt werden, um die spätere Mast der Kälber wirtschaftlicher zu machen.

Früherer Verkauf von Bullenkälbern ist keine Lösung

Diskutiert wurde Bullenkälber im Alter weniger Tage verkaufen zu können, wie es zum Beispiel in den USA üblich ist. Für Deutschland ist das keine Alternative. Im Gegenteil: Seit dem 1.1.2023 müssen Kälber 28 Tage lang auf dem Erzeugerbetrieb aufgezogen werden. Früher Verkauf bringt gesundheitliche Nachteile für die Kälber mit sich, da ihr Immunsystem in den ersten Lebenswochen noch nicht voll ausgebildet ist. Die höhere Anfälligkeit jüngerer Tiere könnte daher zudem einen verstärkten Einsatz von Medikamenten nach sich ziehen. Auch das soll vermieden werden.

Versuche zur Weidemast im Ökolandbau

Auch in der ökologischen Milcherzeugung sucht man nach Lösungen für eine möglichst wirtschaftliche Verwertung der anfallenden Bullenkälber. Das Institut für Ökologischen Landbau des Thünen-Instituts in Trenthorst hat deshalb ein vier Jahre dauerndes Projekt zur Weidemast von Bullenkälbern durchgeführt. Die Tiere wurden entsprechend der EU-Ökoverordnung drei Monate lang mit Vollmilch aufgezogen und anschließend auf Dauergrünland sechs bis acht Monate gemästet. Ziel des Projekts war es, die Wirtschaftlichkeit der Weidemast zu untersuchen.

Mehr Geld für "Bruderkälber“ 

Ein weiterer Weg zur Optimierung der Wirtschaftlichkeit in der Mast von Bullenkälbern führt über höhere Erzeugerpreise für das Fleisch. Einige direktvermarktende Mastbetriebe haben Kooperationen mit dem regionalen Lebensmitteleinzelhandel gestartet und eine Art "Bruderkalb-Konzept“ entwickelt, wie es dies bereits für männliche Küken aus der Legehennenhaltung gibt. Die Mastbetriebe kommunizieren dabei gemeinsam mit dem Handel aktiv die Problematik rund um die Verwertung von Bullenkälbern an die Verbraucherinnen und Verbraucher und können auf diese Weise höhere Preise für ihre Produkte erzielen.
Teile des Handels zeigen sich sehr interessiert an diesem Konzept, vor allem wenn es sich um Tiere aus der Region handelt. Aus Sicht der Mastbetriebe ist es sinnvoll, für diesen Zweck Erzeugergemeinschaften zu bilden, um den Handel durchgehend beliefern zu können.

In Aufzucht investieren

Welcher Ansatz auch verfolgt wird: mit der Fütterung bzw. Tränke und Haltungsumgebung der Kälber wird der Grundstein für die weitere Entwicklung der Tiere und damit auch der Wirtschaftlichkeit der Mast gelegt. Der Milchviehbetrieb nimmt somit selbst Einfluss auf die Qualität aller seiner Kälber - ganz gleich ob sie für die Aufzucht oder Mast vorgesehen sind.  

Schon im Milchviehbetrieb werden also die Weichen auch für eine spätere erfolgreiche Mast gestellt.


Letzte Aktualisierung 03.04.2024

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