Bullenkälber aus der MilchviehhaltungBullenkälber aus der Milchviehhaltung

Was tun mit Bullenkälbern aus der Milchviehhaltung?

Bei etwa vier Millionen Milchkühen fallen pro Jahr etwa zwei Millionen Bullenkälber an. In der Milchviehhaltung ist die Nutzung der männlichen Nachkommen eine Herausforderung. Sie können nicht zur Remontierung der Herde genutzt werden und auch für die Mast sind sie nur bedingt geeignet, vor allem wenn sie einer auf Milchleistung gezüchteten Rasse angehören. Weil die Mast dieser Kälber bei vielen als unwirtschaftlich gilt und es darum deutschlandweit nur einige Abnehmer gibt, wird ein Teil der Tiere ins Ausland verkauft, etwa in die Niederlande oder nach Spanien.
Durch die  Überhänge am Markt erlösen die Betriebe zurzeit Preise, die nicht einmal die Kosten für die vierzehntägige Aufzucht der Kälber auf dem Milchviehbetrieb abgedecken.

Tierschutzrecht verbietet vorzeitige Tötung

Das vorzeitige Töten der Bullenkälber ist aus ethischen und rechtlichen Gründen abzulehnen. Das Tierschutzgesetz in Deutschland verbietet ausdrücklich das Töten von Tieren ohne vernünftigen Grund. Wirtschaftliche Ineffizienz gilt nicht als ausreichender Grund. Auch wenn es bisher noch keine umfassende Lösung für eine sinnvolle Verwertung der Mengen von Bullenkälbern gibt, wurden inzwischen vielversprechende Ansätze entwickelt. Einige Betriebe besamen zum Beispiel nur noch besonders leistungsstarke Kühe mit Bullen milchbetonter Rassen wie Holstein Friesian.Für die Besamung von Kühen mit mittlerer oder unterdurchschnittlicher Leistung werden dagegen fleischbetonte Bullen gewählt.

Einkreuzung von Fleischrassen

Obwohl auch die eingekreuzten Bullenkälber nicht die Leistung und Fleischqualität reiner Fleischrassen-Kälber erreichen, sind sie für die Mast besser geeignet und erzielen deshalb etwa drei bis viermal höhere Preise als Bullenkälber reiner Milchviehrassen. Allerdings kann das Einkreuzen von Fleischrassen wie Blau-Weiße Belgier oder auch Charolais das Risiko für Schwergeburten erhöhen. In der Praxis hat sich die relativ neue Fleischrasse INRA 95 als gut geeignet für das Einkreuzen erwiesen.

Ein noch konsequenterer Schritt zur besseren Verwertbarkeit von Bullenkälbern wäre es, reine Milchrassen durch klassische Zweinutzungsrassen wie Fleckvieh zu ersetzen. Das könnte sich betriebsindividuell je nach Leistungsniveau, Milch- und Fleischpreis durchaus bezahlt machen. Denn für Fleckviehkälber und schlachtreife Kühe lassen sich deutlich höhere Preise erzielen als etwa für Schwarz-Bunte. Der Mehrerlös aus dem Verkauf von Kalb und Schlachtkuh kompensiert nach Einschätzungen von Fachberaterinnen und Fachberatern etwa 1.000 Liter weniger Milchleistung bei der Haltung einer Zweinutzungsrasse.

Gesextes Sperma für leistungsstarke Kühe

Eine weitere Alternative ist der Einsatz von sogenanntem gesexten Sperma zur Besamung von Milchkühen. Bei gesextem Sperma werden männliche und weibliche Spermien vorab getrennt. Auf diese Weise lässt sich der Anteil weiblicher Nachkommen in der Praxis auf etwa 90 Prozent steigern. Nachteil der Methode ist, dass ein weiterer Überhang an weiblichen Kälbern entsteht, da auch hierbei nur ein Teil der Nachkommen zur Remontierung der Herde benötigt wird. Zudem eignen sich weibliche Kälber reiner Milchrassen noch weniger für die Mast als Bullenkälber. In der Beratung gilt deshalb die Empfehlung, nur Kühe mit überdurchschnittlicher Milchleistung mit gesextem Sperma zu besamen. Der Rest der Herde sollte dagegen mit fleischbetonten Rassen besamt werden, um die spätere Mast der Kälber wirtschaftlicher zu machen.

Früherer Verkauf von Bullenkälbern ist keine Lösung

Diskutiert wurde Bullenkälber im Alter weniger Tage verkaufen zu können, wie es zum Beispiel in den USA üblich ist. Für Deutschland ist das keine Alternative. Ab dem 1.1.2023 müssen Kälber 28 Tage auf dem Erzeugerbetrieb aufgezogen werden. Bis dahin gilt eine Übergangslösung. Früher Verkauf bringt gesundheitliche Nachteile für die Kälber mit sich, da ihr Immunsystem in den ersten beiden Lebenswochen noch nicht voll ausgebildet ist. Man spricht darum auch von einer Immunlücke. Die höhere Anfälligkeit jüngerer Tiere könnte daher einen verstärkten Einsatz von Medikamenten nach sich ziehen.

Versuche zur Weidemast im Ökolandbau

Auch in der ökologischen Milcherzeugung sucht man nach Lösungen für eine sinnvolle Verwertung der anfallenden Bullenkälber. Das Institut für Ökologischen Landbau des Thünen-Instituts in Trenthorst hat deshalb ein vier Jahre dauerndes Projekt zur Weidemast von Bullenkälbern gestartet. Die Tiere werden entsprechend der EU-Ökoverordnung drei Monate lang mit Vollmilch aufgezogen und anschließend auf Dauergrünland sechs bis acht Monate gemästet. Ziel des Projekts ist es, die Wirtschaftlichkeit der Weidemast zu untersuchen. Erste Ergebnisse werden ab dem Jahr 2021 erwartet.

Mehr Geld für „Bruderkälber“ 

Ein weiterer Weg zur Optimierung der Wirtschaftlichkeit in der konventionellen Mast von Bullenkälbern führt über höhere Erzeugerpreise für das Fleisch. Einige direktvermarktende Mastbetriebe haben Kooperationen mit dem regionalen Lebensmitteleinzelhandel gestartet und eine Art „Bruderkalb-Konzept“ entwickelt, wie es dies bereits für männliche Küken aus der Legehennenhaltung gibt. Die Mastbetriebe kommunizieren dabei gemeinsam mit dem Handel aktiv die Problematik rund um die Verwertung von Bullenkälbern an die Verbraucherinnen und Verbraucher und können auf diese Weise höhere Preise für ihre Produkte erzielen.
Teile des Handels zeigen sich sehr interessiert an diesem Konzept, vor allem wenn es sich um Tiere aus der Region handelt. Aus Sicht der Mastbetriebe ist es sinnvoll, für diesen Zweck Erzeugergemeinschaften zu bilden, um den Handel durchgehend beliefern zu können.

Fazit

Für die sinnvolle und tiergerechte Verwertung von Bullenkälbern aus der Milchviehhaltung gibt es nach wie vor keine übergreifende Lösung. Allerdings wurden bereits einige Erfolg versprechende Ansätze entwickelt. Welcher Ansatz für welchen Betrieb sinnvoll ist, hängt aber letztlich von den individuellen Voraussetzungen und der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme ab.

Letzte Aktualisierung 11.02.2022

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