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Rinder sind soziale Tiere, die in einer Herde leben. Je mehr die Landwirtinnen und Landwirte über die arttypischen Verhaltensweisen ihrer Mastbullen wissen, umso besser können sie ihre Tiere in der Stallhaltungsumwelt verstehen und auf sie eingehen.
Das natürliche Verhalten von Rindern hat einen Einfluss auf die Haltung der Tiere in Ställen.
Rinder sind Herdentiere, bewegen sich im Herdenverband vorwärts und haben ein herdensynchrones Verhalten. Sie sind große, wiederkäuende Pflanzenfresser und können große Mengen an Raufaser verdauen. Dabei gehören sie zu den Beutetieren und ihre Sinne, besonders der Sehsinn, sind daran angepasst.
Wer Rinder mästen möchte, muss die Grundlagen ihres Verhaltens und ihre Bedürfnisse kennen. Im Folgenden werden einzelne Funktionskreise des Verhaltens von Rindern dargestellt und die Situation in der Mastbullen-Haltung aufgezeigt.
In der Natur leben Rinder in Herden von etwa 20 Kühen mit Kälbern und Jungtieren sowie einem Altbullen. Die männlichen Tiere verlassen mit etwa zwei Jahren die Herde und leben dann in sogenannten Junggesellengruppen zusammen. Ältere Bullen, die keine eigene Herde haben, leben als Einzelgänger. In der Herde herrscht eine Rangordnung, die sich nach kurzen Rangordnungs- und Eingliederungskämpfen mit den heranwachsenden Jungtieren herausbildet. Die Rangordnung sichert das soziale und friedliche Zusammenleben der Tiere.
Die soziale Fellpflege erfolgt durch gegenseitiges Belecken. Auch gegenseitiges Beriechen, Berühren oder Reiben erhöht den Gruppenzusammenhalt. Zum Sozialgefüge von Rindern gehört auch, dass das Verhalten weitgehend synchron erfolgt. Junge Kälber finden sich in einer Art Kindergarten zusammen, wo sie häufig spielen, toben und erkunden.
Bei Bullen wird das Sozialverhalten stark von der Gruppengröße und der Besatzdichte beeinflusst. Eine stabile Rangordnung der Gruppen wird erst im Alter von etwa 18 Monaten gebildet. Vorher kommt es immer wieder zu Rangkämpfen der Tiere untereinander. In den Jungbullengruppen ist der individuelle Sicherheitsbereich sehr wichtig. Die Tiere versuchen einen möglichst großen Abstand der Köpfe einzuhalten.
Das Sexualverhalten ist ein Teil des Sozialverhaltens. Männliche Rinder werden mit neun bis elf Monaten geschlechtsreif. Die Zuchtreife erreichen sie aber erst mit fünfzehn bis achtzehn Monaten. Einen großen Teil des Sexualverhaltens von Mastbullen nimmt das Aufreiten ein. Dieses zeigen sowohl Jungtiere als auch ältere Mastbullen. Aufspringen auf andere Bullen kann auch als Dominanzverhalten gewertet werden. Geschlechtsreife Bullen zeigen zudem ein Imponiergehabe. Dabei scharren sie mit tiefem Kopf auf dem Boden.
Rinder gehören zu den tagaktiven Tieren. In der Natur beginnen sie den Tag schon in der Dämmerung mit Grasen. Die Herde zieht den ganzen Tag über zumeist im gemächlichen Schritt grasend weiter. Kurze Strecken werden auch im Trab oder Galopp zurückgelegt. Phasen der Futteraufnahme wechseln sich mit Ruhe- und Wiederkäuphasen ab. Dazwischen gibt es eine Zeit der sozialen Körperpflege. Junge Kälber haben ein ausgeprägtes Spielverhalten und bewegen sich dabei hüpfend und springend vorwärts. Außerdem sind sie erkundungsfreudig und erforschen ihre Umgebung.
Von Milchkühen ist bekannt, dass sie auf der Weide bis zu zehn Kilometer am Tag laufen. Eine brasilianische Untersuchung belegte bei Weidebullen immerhin noch 2580 Meter am Tag. Bei Mastbullen, die auf Spaltenboden im Stall gehalten wurden, wurden dagegen nur noch rund 350 Meter ermittelt. Mit zunehmendem Alter nahm die Laufstrecke weiter ab. Der Tagesrhythmus von Mastbullen wird stark von der Fütterung beeinflusst mit einem Maximum am Morgen und am Abend.
Das Ruheverhalten der Rinder ist für das Wiederkäuen von entscheidender Bedeutung. Das Liegeverhalten ist daher eng mit dem Wohlbefinden verknüpft. Vor dem Ablegen erkunden Rinder den gewünschten Liegeplatz durch Beriechen des Bodens. Zum Aufstehen müssen Rinder Kopffreiheit und Schwungraum haben, da sie ihren Schwerpunkt mit einem Schwung nach vorne verlagern, dann zuerst die Hinterbeine und danach die Vorderbeine aufstellen.
Bei der Wahl des Liegeplatzes spielen sowohl die technische Qualität wie Witterungsschutz, Wärmedämmung und Verformungswiederstand der Liegefläche als auch die soziale Qualität des Liegens eine Rolle.
In seminatürlicher Umgebung liegen Tiere mit vergleichbarem Rang beieinander, rangniedere Tiere dazu mit Abstand. Während Saugkälber noch bis zu 90 Prozent am Tag liegen, beträgt die Liegezeit mit sechs Monaten nur noch 70 bis 75 Prozent. Bullen liegen etwa die Hälfte des Tages. Im Tiefschlaf sind erwachsene Rinder insgesamt nur einen Bruchteil des Tages und das auf mehrere kleine Tiefschlaf-Phasen verteilt.
Im Stall ruhen Mastbullen zwischen 12 und 15 Stunden. Die Hauptliegephasen sind nachts zwischen ein und drei Uhr und nachmittags zwischen 16 und 18 Uhr Die Ruhephasen sind meist 60 bis 90 Minuten lang. Die Bullen legen sich gern entlang der Wand ab, da sie sich dort sicherer fühlen. Sie schlafen etwa 140 Minuten am Tag in mehreren Phasen à 20 Minuten. Die Liegedauer wird bei gleicher Besatzdichte höher, wenn die Gruppen mehr als 20 Tiere umfassen. Auch das Flächenangebot beeinflusst die Liegedauer.
Die Futteraufnahme bei Rindern erfolgt zu einem großen Teil morgens und abends. In den Mittagsstunden und auch nachts findet das Wiederkäuen statt. In der Natur bewegen sich die Tiere beim Grasen zumeist langsam auf der Weide im Schritt vorwärts, während sie im Stall bei der Futteraufnahme stehen. Zur Nahrungsaufnahme bewegen Rinder den Kopf im Halbkreis. Das Gras wird mit der Zunge umschlungen, zwischen den Schneidezähnen und der Kauplatte im Oberkiefer eingeklemmt und dann mit einem Ruck des Kopfes nach oben abgerissen.
Hereford-Bullen, die auf der Weide gehalten wurden, fraßen 8,3 Stunden am Tag innerhalb von vier Fressperioden, so das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung. In der Stallhaltung nehmen Mastbullen dagegen nur zwischen 2,2 und 3,6 Stunden Futter auf. Die Unterschiede in der Fressdauer bei der Stallhaltung führen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem auf die Rangordnung zurück. Rangniedere Bullen haben eine geringere Fresszeit als ranghohe Bullen.
In der Mastbullenhaltung ist eine hohe Futteraufnahme die Voraussetzung für hohe Tageszunahmen und damit die Wirtschaftlichkeit der Bullenmast. Dies setzt den Einsatz eines durch Futtermittelanalysen belegt qualitativ hochwertigen Grundfutters und eine optimierte Futterration voraus. Nur wenn optimale Bedingungen für die Pansenmikroben herrschen, können die Inhaltsstoffe des Futters auch gut in Fleischansatz umgesetzt werden.
Eine wiederkäuergerechte Fütterung enthält genügend Strukturfutter. Dann käuen Mastbullen zwischen fünf und sieben Stunden pro Tag wieder. Wird das Futter mehrmals am Tag frisch vorgelegt, reduziert sich die Anzahl der gleichzeitig am Fresstrog stehenden Bullen. Auch die Gruppengröße hat einen Einfluss auf die Futteraufnahme: Die Fressdauer steigt mit zunehmender Gruppengröße an, die Auseinandersetzungen am Trog nehmen dagegen ab.
Auch für Bullen ist die ständige Verfügbarkeit von frischem Wasser in guter Qualität eine Voraussetzung für das Tierwohl. Rinder sind Saugtrinker und trinken aus einer stehenden Wasserfläche, indem sie das Maul etwa drei Zentimeter tief eintauchen und das Wasser schlürfen.
Der Wasserbedarf hängt mit der Futteraufnahme beziehungsweise dem Trockenmassegehalt des Futters zusammen. Je Kilogramm Trockenmasse sind etwa vier bis fünf Liter Wasser notwendig. Bei einem Gewicht zwischen 350 und 700 Kilogramm benötigen Mastbullen etwa 45 Liter Wasser am Tag, sie können bei höheren Temperaturen aber auch deutlich mehr trinken. In den Sommermonaten kann der Wasserbedarf von Mastbullen auf bis zu 80 Liter am Tag ansteigen.
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Letzte Aktualisierung 12.11.2024